Man ist schnell dabei, Sizilien als die Insel der Götter und des Lichts zu verklären. An den geschichtlichen Stätten verschmelzen Mythen der Vergangenheit mit der vereinnahmenden Kargheit der Natur. Mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen äussert sie aber auch immer wieder ihre zerstörerische Kraft. In den Städten erzwangen diese Katastrophen bauliche Veränderungen. Gleichzeitig nutzten die feudalen Herrschaftssysteme von Klerus und Staat Architektur und Städtebau für ihre gestenreiche Machtdemonstration.
Auf unserer Reise quer durch den südlichsten Landstrich Italiens erkundeten wir die dortigen Städte: Gewachsene und Geplante, Zerstörte und wieder Aufgebaute. Mit einer so reichhaltigen wie wechselhaften Geschichte macht das bauliche Erbe Siziliens den Einfluss mehrerer bedeutender Mittelmeerkulturen erlebbar.
Der Unbeständigkeit von Gesellschaft und Natur steht eine Baukultur der Kontinuität gegenüber: Die Städte entstanden direkt aus den Qualitäten von Landschaft und Topografie. Das Felsgestein der Insel dient seit Alters her als Baumaterial: Siracusa ist aus Muschelkalk, in Noto fanden wir vor allem Kalktuff, Catania wurde aus Lavagestein gebaut und in Ragusa dominiert Pechstein. Die handwerkliche Bauweise entwickelte man zu höchster Vollendung. Sie ist bis heute Ausdruck kultureller Identität.